Dem Alltag für fünf Minuten entfliehen und kurz einfach mal durchatmen… Das hört sich gut an, oder? Oft kommen kleine Erholungspausen neben Arbeit, Familie und Freizeit zu kurz – doch gerade diese kurzen Auszeiten nehmen eine enorme Wichtigkeit für unsere psychische Gesundheit ein. Sie helfen uns dabei, ausgeglichener und ruhiger zu sein und nicht so schnell an unsere Belastungsgrenze zu gelangen.
Im Folgenden Beitrag erwarten dich einige ausgewählte Entspannungsübungen bei Stress und gegen Verspannungen. Viel Spaß!
Als Verspannung bezeichnet man es, wenn sich Muskeln ungewöhnlich stark zusammenziehen und infolgedessen Einschränkungen in der Bewegung und Schmerzen auftreten. Häufig sind sie eine Folge unseres Lebensstils. Sitzt man tagsüber viel am Schreibtisch und vernachlässigt Bewegung auch in der Freizeit, sind das die besten Voraussetzungen, damit eine Verspannung entstehen kann.
Wenn Muskeln sich anspannen, ziehen sie sich zusammen. Der Muskel wird kürzer und dicker. Das Ganze passiert je nach Muskel ganz bewusst oder unbewusst, denn gerade die Muskeln unserer Organe müssen auch ohne unser gezieltes Ansteuern korrekt arbeiten können. Für die An- oder Entspannung unserer Muskeln ist unser zentrales Nervensystem zuständig. Dieses überträgt über das Rückenmark Signale bzw. elektrische Impulse, die den jeweiligen Muskel in Spannung versetzen.
Deshalb sind wir bei Stress und Angst auch so anfällig für Verspannungen. Die Signale unseres Gehirns werden beeinflusst und es kann zu Schmerzen, einer falschen Körperhaltung oder eben Verspannungen kommen. Seelische Anspannung und Stress interpretiert der Körper als Gefahr, weshalb unser Gehirn die Spannung in den Muskeln erhöht, um im Falle von tatsächlicher Bedrohung leistungsstark reagieren zu können. Das Muskelgewebe wird bei Anspannung mit weniger Blut versorgt und Stoffwechselprodukte fließen schlechter ab. Das Resultat: Schmerzen. Natürlich ist nicht immer Stress der Auslöser von Verspannungen, oft unterschätzen wir jedoch seine Rolle, wenn es um unsere körperlichen Beschwerden geht.
Verspannungen können häufig durch Ruhe, Dehnübungen, Massagen, Physiotherapie oder Wärme- und Kältebehandlungen gelindert werden. Auch Entspannungsübungen können einen positiven Einfluss auf Körper & Psyche haben. Um weitere Verspannungen und die damit verbundenen Schmerzen vorzubeugen, empfiehlt es sich, auf die eigene Körperhaltung zu achten, sich regelmäßig zu bewegen und einen guten Umgang mit Stress zu finden.
Eigentlich ist es nicht Sinn und Zweck von Entspannungsübungen, sie möglichst schnell hinter sich zu bringen. Schließlich geht es darum, sich Zeit in seinem Alltag freizuräumen, um mal Pause zu machen und in sich hineinfühlen zu können.
Dennoch gibt es einige Übungen, die wenig zeitintensiv sind und sich super für „Zwischendurch“ eignen. Zwei davon zeige ich dir hier…
Eine schnelle Entspannungsübung, die deinen Kopf direkt etwas freier schaufelt, ist nicht direkt eine einzelne, sondern vielmehr eine ganze Sammlung an hilfreichen Techniken. Atemübungen sorgen dafür, dass du deine Aufmerksamkeit nur auf eine Sache lenkst und hierdurch eine Weile lang nur im Hier und Jetzt verharren kannst.
Das Schöne: Es gibt unzählige unterschiedliche Atemübungen. Wenn du direkt eine ausprobieren möchtest, versuch es doch gleich mit dieser hier:
So geht's: Finde eine angenehme Position. Du kannst diese Übung im Liegen oder im Sitzen durchführen. Schließe deine Augen und verlangsame deine Atmung. Fang nun an, bei jedem Ein- und Ausatmen zu zählen. Einatmen, eins. Ausatmen, zwei. Einatmen, drei. Ausatmen, vier. Und so weiter. Mache das, bis du zur Zwölf kommst. Danach fängst du wieder mit eins an. Du kannst während der Übung auch darauf achten, wie sich dein Brustbein hebt und senkt oder wie die Luft durch deine Nase strömt. Die Hauptsache ist, dass du mit deinem Kopf bei der Übung bleibst. Durch das Zählen treten andere Gedanken, die möglicherweise Stress auslösen in den Hintergrund und man bekommt eine kleine Pause von dem, was einem sonst so durch den Kopf schwirrt.
Du kannst diese Übung so lange machen, wie du willst. Wenn du nur wenige Minuten Zeit hast, dann zählst du vielleicht nur drei Mal bis zwölf. Wenn du zeitlich ungebunden bist, einfach solange du Lust hast.
Eine zweite Möglichkeit für schnelle Entspannung ist das Nutzen von Druckpunkten. Diese Entspannungstechnik läuft zurück auf die sogenannte Akupressur aus der traditionellen chinesischen Medizin. Durch den Druck mit den Fingern auf bestimmte Körperpunkte sollen Energieblockaden gelöst und Beschwerden wie Stress, Unruhe, Bluthochdruck und vieles mehr gelindert werden.
So geht's: Übe mit deinem Daumen einen festen, aber dennoch angenehmen Druck auf deine Handinnenfläche aus. Halte diesen Druck, solange du willst. Dann wechsle die Hand und wiederhole die Übung. Merkst du, dass du ein wenig mehr zur Ruhe kommst?
Ein weiterer Druckpunkt befindet sich zwischen den Augenbrauen. Führe hier mit dem Zeigefinger kreisende Bewegungen durch und merke, wie sich dein Stresslevel reduziert.
Gegen Müdigkeit und Kopfschmerzen soll ein Druckpunkt am Ohrläppchen Wunder wirken. Massiere dein Ohrläppchen etwa eine Minute lang und schau, ob sich etwas verändert.
Zwar gibt es noch eine Vielzahl an weiteren hilfreichen Druckpunkten, mit diesen drei Stellen solltest du aber erstmal gut bedient sein. Schließlich wollen wir uns noch einige andere Entspannungsübungen anschauen.
Kurzfristig können Entspannungstechniken wie Meditation oder Atemübungen dazu beitragen, das Stresshormonlevel zu senken und unser vegetatives Nervensystem herunterzufahren. Der Körper wird dadurch in einen Ruhe- und Erholungszustand versetzt. Blutdruck und Herzfrequenz sinken und das Wohlbefinden steigt.
Vor allem in Stress-Situationen, in denen unser Gehirn gerne in einen „Fight or flight“-Modus verfällt, kann das Herunterfahren des vegetativen Nervensystems helfen, wieder in eine körperliche Balance zurückzufinden. Regelmäßig angewendet sollen Entspannungsübung zu einer höheren Resilienz und einem besseren Umgang mit Stress beitragen. Damit sind sie enorm wichtig, wenn wir uns möglichst lange einer gesunden Psyche erfreuen wollen.
Beim autogenen Training wird die eigene Vorstellungskraft genutzt, um Körper und Geist in einen Zustand der Entspannung zu versetzen. Diese Technik soll nicht nur beim Stressabbau helfen, sondern auch Schlafprobleme lindern können, im Rahmen einer Therapie bei chronischen Schmerzen oder Migräne eingesetzt werden können, Verspannungen bekämpfen, psychische Belastungen reduzieren und allgemein für mehr Ruhe und Ausgeglichenheit sorgen. Durch Selbstbeeinflussung gelangen Patient*innen in einen entspannten, tranceähnlichen Zustand und können hierdurch Körperfunktionen wie Puls und Durchblutung beeinflussen.
Ein „Klassiker“ des autogenen Trainings ist die sogenannte Schwereübung. Hier wird dem Körper suggeriert, dass er ganz schwer ist, wodurch letztendlich Entspannung entsteht.
So geht's:Lege dich hin, schließe die Augen und versuche, ein wenig zur Ruhe zu kommen. Geräusche und äußere Einflüsse werden ausgeblendet. Sie interessieren uns gerade nicht. Nun konzentriere dich auf ein Körperteil. Wir fangen mal beim rechten Arm an. Spüre in ihn hinein. Wie schwer fühlt er sich bereits an? Denke dir nun den folgenden Satz: „Mein rechter Arm wird angenehm schwer.“ Wiederhole diesen Satz mehrmals und achte dabei darauf, wie dein rechter Arm immer schwerer und entspannter wird. Wenn du so weit bist, fahre mit der Übung an weiteren Körperteilen fort und passe dabei den Satz an die jeweilige Stelle an. Der linke Arm, die einzelnen Beine und so weiter. Möchtest du die Übung beenden, fange einfach damit an, die Muskeln wieder anzuspannen, öffne die Augen und stehe langsam auf.
Unter Meditation sind ganz unterschiedliche Gedankenübungen zu verstehen, die der Entspannung dienen und positive Veränderungen im Denken, Fühlen und Wahrnehmen herbeiführen können. Die verschiedenen Meditationstechniken dienen in vielen Religionen und Kulturen der spirituellen Praxis. Hierzulande werden sie oft im Rahmen von Achtsamkeitstrainings durchgeführt.
Bei der Meditation wird die Aufmerksamkeit möglichst lange auf eine bestimmte Sache gelenkt. Das kann bspw. Folgendes sein:
der Atem
ein bestimmter Ton oder Musik
eine körperliche Empfindung
ein Gedanke
ein Duft
Die Konzentration auf bestimmte Sinneseindrücke schafft es, störende Gedanken des Alltags auszublenden und den Kopf allein mit der Beobachtung dieser Wahrnehmung zu füllen. Tauchen Ablenkungen bspw. in Form von Gedanken auf, geht es darum, diese ziehen zu lassen und sich zurück auf den Konzentrationsgegenstand zu besinnen. Wenn du Meditation einmal ausprobieren möchtest, habe ich hier eine Beispielübung für dich:
So geht's: Setze dich bequem und aufrecht hin – gerne in den Schneidersitz mit den Handrücken auf den Oberschenkeln, das muss aber auch nicht unbedingt sein, wenn dieser Sitz für dich unangenehm ist. Dann schließe die Augen und konzentriere dich nur noch auf deine Atmung. Achte bspw. darauf, wie sich dein Brustkorb hebt und senkt oder wie sich deine Nasenflügel weiten. Auf welche Empfindung du dich konzentrieren willst, ist dir überlassen. Wähle das, was am besten für dich funktioniert. Wenn Gedanken dazwischenfunken, lass sie weiterziehen, widme dich wieder deinem Meditationsgegenstand und führe deine ruhige Atmung fort.
Wer ist dieser Jacobson und warum bekommt er ein eigenes Kapitel? Der Arzt Edmund Jacobson entwickelte in den 1920er Jahren die sogenannte progressive Muskelentspannung (PMR). Die Technik basiert auf der Erkenntnis, dass eine Wechselwirkung zwischen der Muskelanspannung und der seelischen Gesundheit besteht.
Die Entspannungstechnik eignet sich vor allem für Menschen, die „einfach nicht ruhig liegen können“. Bei der progressiven Muskelentspannung werden nämlich nach und nach einzelne Muskelgruppen im Körper angespannt und wieder lockergelassen, was letztendlich bei der Stressbewältigung helfen soll, Verspannungen reduzieren und körperliche und psychische Unruhe verringern soll. Der Rhythmus zwischen An- und Entspannung sollte dabei möglichst gleichbleiben.
Grundsätzich läuft es so:
Muskelgruppe spüren
Muskelgruppe anspannen
Spannung halten (etwa 10 Sekunden)
Spannung lösen
Nachspüren (etwa 30 Sekunden)
So geht's: Wir schauen uns heute mal nur das Gesicht an. Runzle dazu die Stirn, kneife die Augen zusammen, beiß die Zähne zusammen und ziehe die Mundwinkel auseinander. Halte diese Anspannung 10 Sekunden und lass dann locker. Spüre jetzt etwa 30 Sekunden nach und merke, wie entspannt deine Gesichtszüge plötzlich sind. Diese Grundstruktur wird bei der PMR an 16 Muskelgruppen durchgeführt.
Stress und dauerhafte Anspannung können schnell zu Schlafproblemen führen. Eine fiese Kombination, denn zusätzliche Übermüdung kann das Stresslevel nochmal zusätzlich steigern. Zum Glück gibt es einige schöne Entspannungsübungen, die dir den Weg in einen erholsamen Schlaf ebnen.
PMR: Die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson eignet sich super, um in den Schlaf zu finden. Durch das abwechselnde An- und Entspannen tritt eine angenehme Schwere in die Muskeln und du bist mit deinen Gedanken bei deinen Empfindungen
Autogenes Training: Auch diese Übung kann genutzt werden, um sich auf den Schlaf vorzubereiten. Neben der bereits beschriebenen Schwereübung kann auch die Wärmeübung beim Einschlafen helfen. Hierzu ersetzt du einfach die genannte Suggestion mit „Körperteil XY fühlt sich angenehm warm an.“
4-7-8-Atmung: Hier atmest du vier Sekunden lang durch die Nase ein. Danach hältst du den Atem sieben Sekunden lang an und atmest acht Sekunden lang durch den Mund aus. Diese Übung beruhigt nicht nur die Atmung, sondern kann dir durch das Mitzählen auch dabei helfen, den Kopf freizukriegen.
Achtsamkeitsmeditation: Schließe die Augen und konzentriere dich auf eine bestimmte Sinnesempfindung. Das kann sein, wie sich dein Brustkorb beim Atmen hebt und senkt. Versuche an nichts anderes zu denken und nur bei dieser Empfindung zu bleiben.
Abend-Yoga: Eine kleine Yoga-Einheit am Abend kann zu einem besseren Schlaf beitragen. Integriere dabei lediglich sanfte Yoga-Übungen, die Dehnung und Entspannung fördern. Das beruhigt Körper und Geist und bereitet ideal auf den Schlaf vor.
Die Feldenkrais-Methode kombiniert viele Aspekte der in diesem Artikel aufgeführten Entspannungstechniken. Genauso wie bspw. beim autogenen Training oder bei der PMR fühlst du auch hier intensiv in deinen Körper hinein. Es geht darum, dich selbst besser zu spüren. Was nehme ich in diesem Moment wahr und welche Bewegung tut mir gut?
Feldenkrais ist ein Lernprozess, der zu mehr Körperbewusstheit und Wohlbefinden beitragen kann. Es geht darum, neue Alternativen der Bewegung zu erforschen und die Qualität der Bewegung – sprich wie leicht und angenehm sie ausgeführt werden kann – zu steigern. Das „Wie“ der Bewegung steht im Vordergrund. Sowohl bei Feldenkrais in der Gruppe (ATM) als auch bei Feldenkrais in der Einzelarbeit (FI) geht es darum, Blockaden im Bewegungsapparat aufzudecken, ihren Ursprung zu finden und Wege zu erforschen, wie diese Blockaden gelöst werden können, damit der Körper in seiner Gesamtheit wieder ideal zusammenspielt.
Feldenkrais ist zwar weniger eine Entspannungsübung, da es sich hierbei vielmehr um ein gezieltes Lernen handelt, dennoch können Feldenkrais-Kurse durch die praktizierte Bewusstheit und das Lösen von Bewegungseinschränkungen und Verspannungen zu mehr Leichtigkeit im Alltag beitragen, dabei helfen Stress und Anspannung zu reduzieren und zu einer Steigerung des Wohlbefindens führen.
Stress und Anspannung führen auf lange Sicht nicht nur zu psychischen Beschwerden, sondern können sich auch erheblich auf die Funktionalität des Bewegungsapparates auswirken. Unbehandelt können sich Schmerzen chronifizieren und zu langwierigen Beschwerden führen. Die Integration von Entspannungsübungen kann helfen, Stress zu reduzieren und Verspannungen zu lösen bzw. diese vorzubeugen, bevor es überhaupt dazu kommt.
Welche Übung für dich am besten geeignet ist, hängt natürlich davon ab, auf welche Techniken du dich am besten einlassen kannst und wo deine individuellen Beschwerden liegen. Zwar können Entspannungsübungen eine gewisse Abhilfe schaffen, sie ersetzen dennoch nicht den qualifizierten Rat von Ärzt*innen und Spezialist*innen.
Im Blog-Bereich findest du spannende Artikel zum Thema Feldenkrais, Umgang mit Schmerz und achtsamer Bewegung. Lies dich schlau!